„Shinrin-Yoku“, wie die Japaner sagen
Stress und Hektik sind in aller Munde. Burnout ist aktuell ein grosses Thema – und breitet sich rasant aus. Immer mehr Menschen sind auf der Suche nach einem Rückzugsort, einem Ort der Ruhe und einer Möglichkeit, dem täglichen Dauerstress zu entkommen.
Da kommt der «neue» Trend aus Japan gerade richtig.
«Shinrin-Yoku», das japanische Waldbaden, soll nun den Körper wieder zur Ruhe kommen lassen, Achtsamkeit fördern und sogar den Blutdruck senken und das Immunsystem stärken. Der ganze Organismus taucht in die mit heilsamen Wirkstoffen angereicherte Luft ein, die der gesamte Wald verströmt.
Beim Waldbaden geht es nicht darum, in Badekleidung und mit Flip Flops bekleidet durch den Wald zu laufen und auch nicht, eine Badewanne im Wald aufzustellen, sondern vielmehr, besonders achtsam im Wald spazieren zu gehen und dabei nicht unbedingt auf den Wegen bleiben, sondern sich wirklich auch einmal durchs Unterholz zu wagen. Dafür braucht es keine bestimmte Atemtechnik und auch keinen bestimmten Laufrhythmus, es reicht schon, wenn man sich einfach nur hinsetzt und den Wald mit allen Sinnen geniesst.
Die Luft im Wald ist voller Terpene, die im Ruf stehen, heilende Kräfte zu haben. Terpene sind Pflanzenstoffe, die von Blättern und Nadeln freigesetzt werden. Man erkennt sie am typischen harzigen Geruch. Eigentlich werden diese Duftstoffe von den Bäumen gegen Fressfeinde eingesetzt.
Ich wollte das Waldbaden selbst einmal ausprobieren und bin ziemlich ziellos und ohne grosse Erwartungen in den Wald hinein marschiert. Schon nach wenigen Metern fernab eines jeden Waldweges überkam mich zunächst einmal ein «mulmiges» Gefühl. Immerhin leben in diesem Wald zahlreiche Tiere und ich weiss, dass Wildschweine sich tagsüber gerne «unsichtbar» im dichteren Gehölz aufhalten.
Ich bin schon seit vielen Jahren im Wald unterwegs, aber eigentlich so gut wie nie alleine. Immer hatte ich grössere oder kleinere Gruppen dabei, mit welchen zusammen ich Wanderungen unternahm oder sportlich ambitioniert trainierte.
Sicher, Waldbaden geht auch als Gruppe. Aber das Erlebnis ist um ein Vielfaches stärker, wenn man alleine unterwegs ist.
Einige Meter weiter bin ich an einen kleinen See im Wald gelangt, umrahmt von zahlreichen Bäumen. Die glitzernde Wasseroberfläche spiegelte die Bäume wider und alles war so ruhig und friedlich. Die Gedanken an Wildschweine waren nach hinten verdrängt. Diese besondere Atmosphäre hat mich total in ihren Bann gezogen. Schon nach wenigen Minuten merkte ich, wie Stress und Hektik von mir abfielen und wie ich mich ganz mit der Natur verbunden fühlte.
Mit dem Rücken an einen grossen Baum gelehnt, genoss ich die Umgebung mit allen Sinnen. Ich hörte verschiedene Vögel pfeifen, sah zahlreiche Insekten am Ufer tanzen, ein leichter Wind bewegte die Tannen sanft hin und her, die Sonne blinzelte zwischen den Ästen hindurch und alles war so leicht und belebend und gleichzeitig so echt und intensiv. Ein Glücksgefühl durchströmte mich, welches nicht unbedingt nur mit den Terpenen in Zusammenhang stand.
Hier im Wald, weit weg von allen anderen Menschen, spürte ich mich selbst auf eine ganz intensive Weise. Ich spürte, dass es genau SO richtig ist, wie es ist.